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Die Religion der Sami

Flagge der Sami
Die Flagge der Sami

von Yvonne Steplavage

Vor der Christianisierung der Sami spielten in ihrer Religion vor allem der Schamanismus und der Bärenkult eine entscheidende Rolle. Im Schamanismus gilt der Schamane selbst als Leitfigur und wird als Vermittler zwischen der irdischen und der Geisterwelt angesehen. Wesentliche Bestandteile des Glaubens sind die Kommunikation mit Geistern sowie die Seelenreise.

Nach schamanischen Anschauungen unterteilt sich die Welt in drei Bereiche, und zwar die obere, mittlere und untere Welt. Die mittlere Welt besteht vor allem aus den lebenden und den toten Seelen sowie verschiedenen Naturgeistern; die untere Welt hingegen wird von der Mutter Erde selbst sowie zahlreichen geistigen Helfern und Krafttieren dominiert und zur oberen Welt zählen insbesondere die Weisheit und die geistigen Lehrer. Zu erwähnen ist, dass sich die obere und die untere Welt noch einmal in mehrere Ebenen gliedern. Bei den Seelenreisen werden die jeweiligen Personen in Trance versetzt und haben nun die Möglichkeit, sich zwischen diesen drei Welten zu bewegen und dort Kontakt aufzunehmen. Der Grund ist hierbei das Erlangen diverser Information, wenn beispielsweise Probleme auftreten, unter anderem Missernten, Naturkatastrophen oder auch gescheiterte Jagden. Als Verbindung zwischen den einzelnen Welten dient der Weltenbaum, ein traditionelles Wahrzeichen für die Ordnung im Universum.

Beim Schamanismus spielen auch die vier Himmelsrichtungen eine bedeutende Rolle. Jede einzelne Himmelsrichtung gilt als individuelles Wesen mit besonderen Fähigkeiten und Stärken. Bei religiösen Zusammenkünften finden diese in besonderer Weise Verehrung.

Nach diesem Glauben entscheidet sich der Schamane nicht persönlich, ein solcher zu werden, sondern er wird von der Geisterwelt dazu auserwählt. Die Eigenschaft, in Träumen Nachrichten aus der spirituellen Welt zu empfangen, spielt hierbei eine zentrale Rolle. Oft spürt der Schamane diese Berufung bereits in seiner Kindheit. Alle Schamanen haben einen geistigen Lehrer, der sie unterstützt und leitet sowie in der Anfangszeit einen "weltlichen" Mentor, der sie in die Ausübung grundlegender Riten und Bräuche sowie in die Fertigkeiten des Heilens einführt. Erst wenn sich der zukünftige Schamane erfolgreich einer Prüfung unterzogen hat, darf er in dieser Funktion tätig sein.

In dieser Religion wird der Heilung eine wesentliche Bedeutung zugemessen, die auch zu den Hauptaufgaben eines Schamanen gehört. Als Grundlage für das schamanische Heilen dienen vor allem Überlieferungen und Erfahrungen vieler Generationen, bei diesen vor allem das Spüren und Verstehen von kosmischen Kräften eine wesentliche Rolle spielt.

Im Schamanismus verfügt jeder Mensch über ein eigenes Krafttier, mit dem er sein Leben lang verbunden bleibt. Es begleitet und beschützt ihn, weiterhin versucht es mit seiner ganzen Macht alles Böse und Schädliche von ihm fernzuhalten. Daher ist es für den Menschen von großer Bedeutung, eine Beziehung zu seinem persönlichen Krafttier aufzubauen und zu pflegen. Unter einem solchen versteht man häufig ein in unserer Welt starkes und dominantes Tier, wie z. B. ein Bär oder Wolf. Doch auch auf den ersten Blick schwächere Wesen, wie zum Beispiel eine Maus oder auch ein Schmetterling, gelten im Schamanismus als stark. Jedes Krafttier ist einzigartig und verfügt über besondere Fähigkeiten, unabhängig von seiner Größe und Gestalt.

Der Bärenkult spielte nicht nur bei den Sami, sondern auch bei anderen Naturvölkern eine besondere Rolle, wie z. B. bei den Ureinwohnern Nord-Japans, die "Ainu" genannt werden. Als heiliges Tier ist der Bär in dieser Religion eine zentrale Figur mit eigener Seele und magischen Kräften. Der Grund ist vermutlich auf die beeindruckende Gestalt dieses Tieres zurückzuführen, die vor allem in der Vergangenheit auf die jagenden Naturvölker eine durchaus furchteinflößende Wirkung besaß. Weiterhin wirken bestimmte Merkmale des Bären menschenähnlich, so zum Beispiel nimmt er gelegentlich eine aufrechte Haltung ein, er kann sowohl einzeln als auch in kleineren Verbänden auftreten, als Wohnstätte wählt er Höhlen, wie das auch bei den Urvölkern der Fall war. Nach Überlieferungen war der Bär im samischen Glauben sowohl mit den Menschen als auch dem Göttlichen verbunden.

Ein weiterer Grund für die Verehrung dieses Tieres ist vermutlich auf eine Legende der Ureinwohner Nordskandinaviens zurückzuführen. In dieser geht es um ein junges Mädchen, das nach einem Streit mit seinen drei bösen Brüdern in der Höhle eines Bären Schutz suchte. Die beiden wurden ein Paar, und das Mädchen gebar einen Sohn. Am Ende der Geschichte opferte sich der Bär und ließ sich von den drei Brüdern umbringen. Ein Merkmal der Legende ist, das auch hier der Bär menschliche Eigenschaften besaß. Die Autorin Anna Westman, die sich im Fjell- und Samimuseum Ajtte in Jokkmokk mit Religionsgeschichte befasst, schreibt dem Mädchen in der Legende und somit der Rolle der Frau im Bärenkult eine besondere Bedeutung zu. Die Frau galt demnach als der Schlüssel für eine gelungene Jagd, ebenso ihre Funktion danach.

Die Bärenzeremonie nach der Jagd, auch Bärenfest genannt, erfolgte nach streng festgelegten Ritualen, ebenso einer exakt vorgeschriebenen Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau. Die Aufgabe der Männer war die Erlegung des Bären, indem sie ihn aus seiner Behausung lockten und mit Speeren töteten. Der Kampf mit dem Tier selbst galt als ein Zeichen von großer Kraft und Willensstärke. In dieser Zeit trafen die Frauen in ihren Zelten, auch Koten genannt, sämtliche Vorbereitungen für das Bärenfest. Dazu gehörte das Durchkauen von Erlenrinde, woraus mit der Zeit ein roter Saft wurde. Wenn die Männer schließlich mit dem erlegten Bären von der Jagd kamen, nahmen sie in diesem Moment dessen Rolle ein. Ein wichtiges Ritual war hierbei auch der Joik. Bei diesem handelte es sich das Ausüben von musikalischen Lauten, bei denen die Sami Ereignisse in der Natur, wie z. B. Tierlaute, Landschaften oder auch bestimmte Personen imitierten. Auch beim Eintreffen nach der Jagd bedienten sich die Männer des Joikens, indem sie beispielsweise riefen: „Nun komme ich aus der Wildmark, nun bin ich auf dem Weg zur Rauchkote.“ Und die Frauen erwiderten ebenfalls im Joik: „Wir sind bereit, wir warten auf den fremden Gast.“ (Quelle: sverigesradio.se). Um wieder zu Kräften zu kommen, legten die Männer nach der anstrengenden Jagd eine Pause ein, dann begannen sie mit dem Aufbau eines Zeltes, in dem der Bär zubereitet wurde. Es war den Frauen hierbei nicht gestattet, dieses Zelt zu betreten. Die Zubereitung des Fleisches fiel ausschließlich in die Zuständigkeit der Männer. Nach Beendigung dieser Aufgabe gingen die Männer mit dem gekochten Fleisch zu den Frauen. Diese hatten neben dem roten Saft ebenfalls einen Messingring bereit gelegt. Beim Auftauchen der Männer spuckten diese nun den Saft durch den Ring auf den Bären und die Männer. Diese Handlung galt als ein Zeichen von großer Achtung gegenüber dem Bären. Das Fleisch des Bären wurde anschließend verspeist, und das Fest war erst beendet, wenn von diesem nichts mehr übrig war. Das Skelett musste komplett zusammenbleiben, nur dies galt als Garantie für das Gelingen der folgenden Jagd. Danach wurden diese Überreste in der Erde vergraben.

Diese Beschreibung des Bärenrituals stammt aus dem 18. oder 19. Jahrhundert. Als Quelle wird hierbei eine Frau namens Anna Tomasdotter genannt, die von 1751 bis 1833 lebte. Da in dieser Zeit bereits christliche Prägungen eine Rolle spielten, lässt sich nicht mit Sicherheit nachweisen, ob es hierbei bereits Abweichungen von dem ursprünglichen Kult gab.